Warum Forschung in der Allgemeinmedizin?

Persönliche Forschungskompetenz eines Allgemeinmediziners/einer Allgemeinmedizinerin

Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner versorgen nicht nur ihre Patientinnen und Patienten ganzheitlich, sondern sind unter anderem auch Kommunikatoren, Praxismanager, Lehrende für Studierende, MFA und Ärzte/Ärztinnen in Weiterbildung sowie Lernende, da stetig neues Wissen zu Krankheiten, Diagnostik und Therapie reflektiert, kritisch bewertet und in die Versorgung umgesetzt werden (Vgl. CanMeds-Rollenmodell) muss.

Um (neue) Forschungsergebnisse einordnen zu können, müssen auch Allgemeinmediziner über Wissenschaftskompetenzen verfügen, d.h. ein Basiswissen u.a. zu Forschungsdesigns, statistischen Parametern, Methoden der Datensammlung, diagnostischen und therapeutischen Gütekriterien aufweisen. Dieses Wissen muss frühzeitig im Medizinstudium angelegt und lebenslang in Weiter- und Fortbildung entwickelt werden.

Forschung in der Allgemeinmedizin: aus der Praxis - für die Praxis

Die Rahmenbedingungen der Versorgung sind starke Einflussfaktoren auf Ergebnisse wissenschaftlicher Studien.

Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob diagnostische Verfahren im fachspezialistischen Versorgungssetting mit hohen Prävalenzen („Vortestwahrscheinlichkeiten“) bei i.d.R. Patienten mit manifestierten, teils fortgeschrittenen Krankheitsverläufen ihrer Erkrankungen oder im hausärztlichen Versorgungssettings mit kleineren Prävalenzen auf ihre Vorhersagekraft geprüft werden. Das Patientenspektrum in der Hausarztpraxis ist wesentlich heterogener und noch nicht vorselektiert, das heißt sowohl Patienten in sog. latenten Krankheitsstadien wie auch mit selbstlimitierenden, leichten bis hin zu schweren Verläufen sind anzutreffen. Entsprechend unterschiedlich gut sind Vorhersagewerte (positiv oder negativ prädiktive Werte) in den verschiedenen Settings. Diagnostische Verfahren, die in fachspezialistischer Versorgung eine sehr gute Vorhersagekraft einer Diagnose haben, können in hausärztlicher Versorgung eine wesentlich schwäche Vorhersagekraft haben.

Daher ist es wichtig, dass diagnostische und therapeutische Interventionen, auch Medikation, im hausärztlichen Setting beforscht werden.

Die Allgemeinmedizin als große Disziplin im medizinischen Fächerreigen ist eine akademische Fachdisziplin, die sich durch die Verknüpfung von Versorgung – Forschung – Lehre auszeichnet.

Hausärztliche Leitlinien weisen teilweise auf Forschungslücken hin, weil es zu wenige klinische Studien in der hausärztlichen Versorgung gibt und die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Studien in anderen Versorgungssettings nicht gegeben ist.

Die Durchführung von Forschung in Hausarztpraxen ist herausfordernd für alle Projektbeteiligten (Hausärzte, MFA, Patienten, Wissenschaftler): Forschungsprojekte müssen in die alltägliche „normale“ Patientenversorgung integriert, hohe Forschungsstandards (z.B. Zufallsauswahl von Patienten, korrekte und aufwendige Dokumentation) eingehalten werden, um aussagekräftige Forschungsergebnisse zu generieren. Das bedeutet meist eine zusätzliche Belastung für Hausarztpraxen, die die Primärversorgung der Bevölkerung sicherstellen.

Aber ohne diesen zusätzlichen Forschungseinsatz können Wissenslücken nicht geschlossen werden. Entsprechend wichtig ist der Einbezug von Hausarztpraxenteams in die Forschungsprozesse: von der Entwicklung von Forschungsfragen, passenden Studiendesigns und Erhebungsmethoden bis hin zur Ergebnisinterpretation. Forschung in der Hausarztpraxis benötigt eine für dieses Setting angepasste Methodik (Versorgungsforschung: „Unser Labor ist die Praxis“).

SGAM unterstützt interessenunabhängige Forschung in der Hausarztpraxis

Die SGAM als einzige sächsische wissenschaftliche Fachgesellschaft in der Allgemeinmedizin setzt sich für diese Form der partizipativen Forschung „aus der Praxis für die Praxis“ ein. Bestes Beispiel hierfür ist die seit 1996 etablierte epidemiologische Studienreihe „Sächsische Studien in der Allgemeinmedizin“, die gemeinsam mit den sächsischen allgemeinmedizinischen Universitätsstandorten durchgeführt wird. Darüber hinaus unterstützt die SGAM nach Einzelfallprüfung regelmäßig Forschungsprojekte und Doktorandenanfragen der sächsischen akademischen allgemeinmedizinischen Forschungsbereiche an der TU Dresden und der Universität Leipzig und bringt sich in Forschungsvorhaben aktiv, z.B. in Form von Expertenberatung in Wissenschaftliche Projektbeiräte (Advisory Boards) ein. Zudem unterstützt die SGAM in ihrer Expertenrolle den Aufbau des sächsischen Forschungspraxennetzes SaxoN.

Hausarztpraxen sollten aktiv Forschung mitgestalten, anstatt beforscht zu werden!